FüR MEHR ACHTSAMKEIT: SELBSTAKZEPTANZ BEIM SPORT: WIE DU LERNST, DEINEN RHYTHMUS ZU FINDEN

Sich nicht zu vergleichen und seinen eigenen Weg zu gehen, ist nicht immer einfach. Wie es mit der Selbstakzeptanz beim Sport aussieht? Das haben wir eine Profisportlerin gefragt

Wann hast du dich das letzte Mal mit einer Person im Gym, auf Social Media oder in deinem privaten Umfeld verglichen? Noch nicht so lange her? Das dachten wir uns. Von dem Drang, sich immer wieder mit anderen zu vergleichen, kommen wir nicht so einfach los.

Ganz ehrlich: Es ist doch vollkommen egal, wenn jemand fitter ist als du, schneller sein Ziel erreicht, mehr Gewichte hebt, eine vermeintlich bessere Figur hat oder die schönere Sportswear trägt. Es geht doch viel mehr darum, sich und seinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist – und dabei die eigenen Grenzen und Fähigkeiten zu erkennen und zu respektieren. Anstatt sich ständig mit anderen zu vergleichen und unerreichbare Perfektion anzustreben.

Viel schöner und vor allem motivierender ist es doch, wenn du durch Selbstakzeptanz eine gesunde Beziehung zum Sport findest und dich wohlfühlst. So sorgst du für mehr Spaß und Motivation – und darum geht es doch, oder nicht?

Warum Selbstakzeptanz so guttut

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Im Gegensatz zur Selbstliebe ist das Schöne an Selbstakzeptanz, dass wir nicht den Anspruch haben, uns immer lieben zu müssen. Selbstakzeptanz bedeutet, selbstkritisch sein zu dürfen, aber sich gleichzeitig nicht zu ernst zu nehmen. Natürlich können wir auch miese Tage haben und unseren Körper oder unsere Leistung nicht gut finden. Viel wichtiger ist, dass uns so etwas nicht herunterzieht und wir die Freude am Sport nicht verlieren.

Wir müssen nicht nur schnell sein, top Leistungen erbringen, Ziele erreichen und Ergebnisse vorweisen. Wir dürfen auch mal ausdauernd sein, in unserer Leistung stagnieren, Ziele nicht erreichen und es müssen auch nicht immer direkt Ergebnisse zu sehen sein. Wichtig ist, dass wir unseren eigenen Rhythmus finden und diesen nicht verlieren.

Wenn wir uns selbst akzeptieren und mit uns und unserer Leistung zufrieden sind, haben wir viel mehr Spielraum für Wachstum.

Wie gehst du deinen eigenen Weg, Emma?

Wie sieht es mit dem Thema Selbstakzeptanz im Leistungssport aus? Darüber haben wir mit Profiturnerin Emma Malewski gesprochen. Wie hat sie ihren eigenen Rhythmus gefunden? Und beeinflusst die ständige Selbstbeobachtung im Training auch ihr Privatleben?

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Emma Malewski ist 19 Jahre alt, hat mit sechs Jahren das Turnen angefangen und trat als 12-Jährige das erste Mal bei den Deutschen Meisterschaften an. Sie lebte und trainierte über sechs Jahre am Sportinternat in Chemnitz und wurde 2022 Europameisterin in der Disziplin Schwebebalken. Emma ist mit dem Leistungsturnen groß geworden. Wie das ihre Sicht auf das Thema Selbstakzeptanz geprägt hat und welche Tipps sie mitgeben möchte, erfährst du hier:

Anders als bei anderen Sportarten wird beim Turnen viel Wert auf Ästhetik gelegt. Wie hat sich deine Beziehung zu deinem Körper, der so viel leistet, im Laufe deiner Karriere entwickelt?

Am Anfang hatte ich natürlich eine andere Körperstruktur als jetzt. Einfach, weil ich sehr früh mit dem Sport angefangen habe. Wenn du mit 13 Jahren schon bis zu 30 Stunden in der Woche trainierst, wird dein Körper dadurch massiv belastet. Turnen ist zudem eine Sportart, in der es hilft, auf das Gewicht zu achten. Man kommt schon früh mit dem Thema Wiegen in Verbindung, beispielsweise durch Körperfettmessungen. Es ist einfach wichtig zu wissen, wie sich der Körper verändert und wie sich dadurch das Training verändern kann.

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Mit ungefähr 17 Jahren hat sich bei mir sehr viel verändert – der Körperfettanteil, aber eben auch das Gewicht. Ich bin gewachsen und es kam alles auf einmal. Dadurch werden auch die Übungen schwerer. Es ist ja etwas ganz Normales, sich körperlich zu verändern, aber damit zurechtzukommen, war nicht leicht. Wenn Kippe-Handstand ein Element war, dass man im Schlaf konnte und auf einmal Kraft dafür benötigt, weil man sein ganzes Körpergewicht hochbekommen muss, ist das eine Umstellung.

"Ich habe gelernt, dass ich einfach eine sportliche Figur habe, die auch nicht jeder hat und ich bin damit total zufrieden." – Emma Malewski

Inwiefern beeinflusst das intensive Training und die ständige Selbstbeobachtung im Turnen dein Körpergefühl und Selbstbild im privaten Leben?

Ich habe ein sehr breites Kreuz. Das war früher für mich sehr schwer, damit umzugehen, dass ich einfach muskulöser bin als andere Mädchen in meinem Alter. Ich habe gelernt, dass ich einfach eine sportliche Figur habe, die auch nicht jeder hat und ich bin damit total zufrieden.

Man muss mit sich selbst im Reinen sein und wissen, entweder habe ich diese Figur oder ich höre auf mit dem Sport. Beim Turnen ist so eine Figur einfach wichtig, weil du viel Kraft im Oberkörper und in den Beinen brauchst.

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Ich habe mich selbst lieben gelernt, was meine Figur angeht, aber es gibt auch viele Turnerinnen, die in eine Essstörung abrutschen, weil sie mit ihrem Körper nicht zurechtkommen. Da finde ich, müsste auch viel mehr drüber geredet werden, dass diese Krankheit im Leistungssport sehr vertreten ist, was nicht normal sein sollte.

Da hast du recht, das ist ein wichtiges Thema. Hast du einen Tipp für junge Turnerinnen, die gerade mit dem Leistungssport anfangen?

Auf jeden Fall: Lernt euch mehr zu lieben. Alle Figuren sind wunderschön, auf ihre eigene Art und Weise. Nimm dir kein Beispiel von Social Media oder Laufstegmodels, denn die haben alle auch ihre eigenen Probleme, die aber nicht nach außen getragen werden.

Ich musste mich auch lieben lernen. Jetzt finde ich mich und meine Figur perfekt. Man sollte sich wirklich nicht mit anderen vergleichen.

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Stichwort vergleichen. Gerade im Sport ist es leicht, sich mit anderen Sportler:innen zu vergleichen. Schaffst du es, dich nicht ständig mit anderen zu messen?

Beim Turnen war es damals schon immer so, dass die Mädchen dürr und die Muskeln eigentlich gar nicht zu sehen sein sollten. Aber das hat sich die letzten Jahre verändert. Ein gutes Beispiel ist Simone Biles, die auch sehr muskulös und klein ist. Während damals eine Nastia Liukin ja wirklich groß und dünn war. Die beiden sind komplett unterschiedliche Typen: Beide starke Turnerinnen, die die Turnwelt auf ihre Art und Weise verändert haben. Sie sind mit ihrer Körperstruktur und mit ihrem Gewicht sehr gut klargekommen und das sehr erfolgreich. Ein gutes Beispiel, was zeigt, dass man sich wirklich nicht mit anderen vergleichen sollte.

"Ich habe mich früher auch verglichen und gemerkt, dass es mir nichts bringt. Ich sehe die Bilder, möchte auch so aussehen und bin geknickt." – Emma Malewski

Dass Social Media kein gutes Beispiel ist, musste ich auch erst mit der Zeit lernen. Auf Social Media sieht man viele wunderschöne Figuren, aber man sollte es nicht zu ernst nehmen, weil es oft auch total fake ist und viele ihre Bilder stark bearbeiten. Ich habe mich früher auch verglichen und gemerkt, dass es mir nichts bringt. Ich sehe die Bilder, möchte auch so aussehen und bin geknickt. Jeder hat etwas eigenes Schönes an sich. Ich zum Beispiel bin muskulös und finde, das ist auch etwas Schönes.

Da hast du vollkommen recht. Vielen Dank, Emma!

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