ISOLATIONSüBUNGEN: IST ES SINNVOLL, MUSKELN EINZELN ZU TRAINIEREN?

Jeder, der an Geräten oder mit Hanteln für eine starke Brust oder Arme trainiert, hat seine Muskeln schon isoliert trainiert. Wie du Muskeln für schnelles Wachstum sinnvoll forderst

Jeder, der schon eine Weile im Fitnessstudio trainiert, hat bereits Isolationsübungen gemacht. Gerade bei kleinen Muskeln, wie Bizeps und Trizeps oder dem extra Pump in der Brust, kommt man nicht daran vorbei. Allein aus Gründen der Zeiteffizienz lohnt es sich, Konzentrations-Curls oder das Training an Geräten mal genauer unter die Lupe zu nehmen: Kann man das Muskelwachstum wirklich beschleunigen, indem man einzelne Muskeln nachsitzen lässt? Wir erklären dir, was Isolationsübungen können und wen sie in welcher Form weiterbringen.

Was ist der Unterschied zwischen Grundübungen und Isolationsübungen?

Isolationsübungen sind nur etwas für "Disco-Pumper", sprich, haben keine funktionellen Nutzen, außer damit anzugeben, weswegen vor allem Bodybuilder auf diese Übungen schwören? Das ist nur die halbe Wahrheit, aber von vorn: Als Isolationsübungen werden Einzelgelenksübungen bezeichnet, die sich auf die Nutzung einer Muskelgruppe konzentrieren, im Gegensatz zu Verbundübungen, die mindestens zwei Gelenke und mehrere Muskelgruppen beziehungsweise eine ganze Muskelkette beanspruchen. Isolationsübungen finden häufig an Geräten statt, wo die Bewegung geführt wird. Damit eignen sie sich auch ideal für Anfänger oder nach Verletzungen.

Hier sind einige Beispiele für Isolationsübungen und den jeweiligen beanspruchten Muskel:

  • Bizeps-Curls: Bizeps (Musculus biceps brachii)
  • Trizepsdrücken, French Press, Kick-backs: Trizeps (M. triceps brachii)
  • Beinbeuger: Ischiocrurale Muskulatur, auf Englisch auch als Hamstrings bekannt. Die Gruppe besteht aus dem 2-köpfigen Oberschenkelmuskel (M. biceps fermoris) dem halbmembranösen Muskel (M. semimembranosus) und dem Halbsehnenmuskel (M. semitendinosus).
  • Beinstrecker: Quadrizeps
  • Adduktoren-Maschine: Adduktoren (M. adductor)
  • Abduktoren-Maschine: Mittlerer Gesäßmuskel (M. gluteus medius)
  • Wadenheben: Zwillingswadenmuskel (M. gastrocnemius)
  • Schulterheben (Shrugs): Kapuzenmuskel (M. trapezius)
  • Front- bzw. Seitheben: verschiedene Anteile des Deltamuskels (M. deltoideus)
  • Fliegende (Flys): Großer Brustmuskel (M. pectoralis major)
  • Crunches, Sit-ups etc.: Gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominis)

Du willst speziell Bizeps und Trizeps pushen? Hier kommt unser Trainingsplan für dicke Arme im Gym:

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Wer jetzt richtig aufgepasst hat, wird merken: Die Liste ist nicht vollständig, denn es fehlen ganze Muskeln, wie der Rückenstrecker und der große Gesäßmuskel. Diese Körperpartien lassen sich isoliert kaum trainieren, denn bei den großen Muskeln kommen meist Hilfsmuskeln zum Einsatz. Beim Rücken sind es die Schultern und Arme und bei Po-Übungen wirkt die Hüftmuskulatur mit. Daher ist es auch nicht ratsam, alle Muskeln nur noch einzeln trainieren zu wollen. Eine Trainingseinheit würde so auch viel zu lange dauern.

Komplexe oder auch Verbundübungen werden mit freien Gewichten ausgeführt und schulen das Muskelspiel untereinander. Sie werden nicht umsonst auch als Grundübungen bezeichnet. Das sind die Big Five, die in Trainingsplanung fehlen sollten: Kreuzheben, Klimmzüge, Kniebeugen, Bankdrücken und Schulterdrücken.

Für wen sind Isolationsübungen sinnvoll?

Isolierte Übungen eignen sich für alle, die ihren Körper und vor allem ihre Schwachstellen kennen. In dem Fall lassen sich mit Übungen speziell für die vernachlässigte Muskelgruppe Dysbalancen korrigieren. Damit haben Isolationsübungen nicht nur im Bodybuilding, sondern auch im Rehabilitationssport ihre Daseinsberechtigung. Wer beispielsweise nach einer Verletzung oder Operation speziell die Körperpartie wieder aufbauen möchte, die länger pausieren musste, oder eine schädliche Körperhaltung durch einseitige Belastung im Job oder Alltag optimieren möchte, sollte weiterlesen. Vielleicht klagst auch du in letzter Zeit häufiger über Rückenschmerzen oder muskulären Problemen nach dem Laufen oder Fahrradfahren? Dann lohnt es sich, mit einem Physiotherapeuten mal genauer auf deinen Körper zu schauen und die vernachlässigten Strukturen zu identifizieren.

Viele Hobbysportler haben nur das Sixpack oder die breite Brust vor Augen und vernachlässigen dabei den Gegenspieler, die Rückenmuskulatur auf der anderen Seite. So entstehen muskuläre Dysbalancen, Haltungsfehler und im schlimmsten Fall Gelenkverschleiß und Rückenleiden.

Wer häufig ins Gym geht und mit einem Split-Trainingsplan arbeitet, kommt um Isolationsübungen nicht herum, um bestimmten Muskeln auch mal eine Wachstums-Pause zu gönnen. Auch für die Überwindung eines Trainingsplateaus kann es helfen, mit isolierten Übungen neue Reize zu setzen.

Ambitionierten Sportlern können Isolationsübungen mit viel Gewicht und sehr wenigen Wiederholungen (1-3) helfen, die intramuskuläre Koordination zu optimieren, und sie dadurch stärker in ihrer Sportart zu machen. Dadurch lassen sich eine große Zahl an Muskelfasern innerhalb eines Muskels aktivieren. Das ist vor allem für (Spitzen-)Sportler interessant, die ihre Maximalkraft steigern wollen, ohne dabei mehr Muskelmasse aufzubauen. Außerdem lässt sich mit Isolationsübungen die Muscle-Mind-Connection trainieren: Das ist die Verbindung zwischen Muskeln und Geist über das zentrale Nervensystem. Führt der Sportler die Bewegung ganz bewusst und achtsam aus, lassen sich laut einer viel beachteten Studie von Brad J. Schoenfeld, Andrew Vigotsky und Kollegen Potenziale für Muskelaufbau und Kraftzuwachs noch besser ausschöpfen. Ist dabei zunächst nur ein Muskel im Fokus, fällt das vor allem Anfängern deutlich leichter. Zumal viele Sportler bei komplexen Übungen häufig gar nicht wissen, welche Hilfsmuskeln genau trainiert werden.

So nutzt du die Vorteile von Isolationsübungen für deine Ziele

Für den extra Muskel-Pump kannst du nach Verbundübungen Isolationsübungen an dein Training dranhängen. Die komplexen Übungen, wie Kniebeugen, Kreuzheben, Pull-ups und Co., bei denen mehrere Muskelgruppen und Gelenke zum Einsatz kommen, sollten nach einem umfassenden Warm-up immer an erster Stelle stehen, da das Verletzungsrisiko hier höher ist und du noch frisch und fokussiert dabei sein solltest. Bei den Isolationsübungen kommt dann deutlich weniger Gewicht zum Einsatz, schließlich wird dieses auch von weniger Muskeln bewegt. So kannst du am Ende bis zum Muskelversagen pumpen und etwa das Muskelwachstum im Bizeps triggern.

Falls du jetzt auf die Idee kommst, nur noch isoliert zu trainieren, lass dir gesagt sein: Das ist keine gute Idee, denn Isolationsübungen haben im Hinblick auf Muskelhypertrophie gegenüber Verbundübungen keine nennenswerten Vorteile. Das zeigt eine im Applied Physiology Nutrition and Metabolism veröffentlichte Studie, in der beide Trainingsmethoden miteinander verglichen wurden. Wer keine spezifischen Ziele für den Körperbau verfolgt und keine Dysbalancen ausgleichen muss, kann sich an die Grundübungen halten. Die haben den Vorteil, dass mit wenigen Übungen der ganze Körper trainiert wird. Man spart nicht nur Zeit, sondern pusht auch das Herz-Kreislauf-System, verbrennt mehr Kalorien und schüttet mehr Wachstumshormone aus, weil mehr Muskelmasse arbeitet und höhere Gewichte gestemmt werden. Gleichzeitig braucht der Körper aber auch mehr Regenerationszeit als nach Training mit Eingelenkübungen.

Allerdings birgt das Training allein mit mehrgelenkigen Übungen die Gefahr, dass du deine Gelenke überlastest und auch dein Verletzungsrisiko steigt bei komplexen Übungen. Daher kann es sinnvoll sein, eine Kombination aus komplexen und Isolationsübungen in deinen Trainingsplan zu etablieren. Die Fitness-Kollegen von Men's Health UK empfehlen für ein abgerundetes Training nach drei Grundübungen, zwei bis fünf Isolationsübungen mit weniger Gewicht zu absolvieren.

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Isolationsübungen: mehr Gewicht oder mehr Wiederholungen?

Wie du dein Isolationstraining im Einzelnen gestaltest, hängt von deinem konkreten Trainingsziel ab: Möchtest du dein Muskelwachstum steigern oder lediglich deine Kraft? Für das klassische Ziel Hypertrophie, also Muskelwachstum, empfehlen Fitnesstrainer bei Grundübungen 8 bis 12 Wiederholungen mit so schweren Gewichten, dass auch keine weitere Wiederholung drin wäre. Danach pausierst du etwa 90 Sekunden und wiederholst das Ganze 3- bis 4-mal. Du kannst laut neuerer wissenschaftlicher Studien auch bis zu 20 Wiederholungen pro Satz für größere Muckis machen, allerdings dauert das Training so einfach länger. Der Schlüssel zum Muskelaufbau ist das Training bis zum Muskelversagen: Wenn der Muskel, egal ob durch hohes Gewicht oder viele Wiederholungen, komplett erschöpft ist, hast du optimale Reize gesetzt. Bei Isolationsübungen sind höhere Wiederholungszahlen Pflicht für den ultimativen Muskel-Pump. Dementsprechend werden Isolationsübungen ohne die Unterstützung durch Hilfsmuskeln auch immer mit etwas weniger Gewicht ausgeführt.

Möchtest du hingegen deine Maximalkraft steigern, dann musst du entsprechend maximal Gewicht aufladen: mehr als 85 Prozent des Maximalgewichts, mit dem eine Wiederholung möglich wäre. Damit trainierst du höchstens 3-6 Wiederholungen pro Satz. Wichtig: Beim Kraftaufbautraining brauchen deine Muskeln zwischen den empfohlenen 3-5 Sätzen eine längere Pause als beim Hypertrophie- oder Kraftausdauertraining: Mindestens 3, besser 5 Minuten, solltest du verschnaufen und am besten auch keinen anderen Muskeln trainieren. Auch nach dem Training brauchen deine Muskeln im Vergleich zum Hypertrophie- oder Kraftausdauertraining länger, um zu regenerieren. Für neue Reize kann Maximalkrafttraining durchaus sinnvoll sein, sofern du mindestens zwei Jahre Trainingserfahrung hast.

Für mehr Kraftausdauer führst du idealerweise 20 Wiederholungen und mehr mit weniger Gewicht aus. Allerdings eigen sich Isolationsübungen dafür weniger gut als Grundübungen. Die trainieren neben der Muskulatur auch das Herz.

Fazit: Hauptsächlich Grundübungen plus einige Isolationsübungen als Optimum

Egal, was dein Trainingsziel ist: Auf den funktionellen Grundübungen, die zwei Gelenke und mehrere Muskeln trainieren, sollten der Schwerpunkt deiner Mühe im Gym liegen. Isolationsübungen für je ein Gelenk und einen Muskel bieten für alle Sportler zusätzliche Vorteile. Pauschal gibt es kein perfektes Trainingsrezept aus komplexen und eingelenkigen Übungen. Die ideale Kombi richtet sich nach deiner Körperstatik, deinen Zielen und deiner Trainingserfahrung. Wer abnehmen will, kommt mit Grundübungen schneller ans Ziel. Einsteiger entwickeln mit geführten Isolationsübungen am Gerät ein gutes Gespür für die Bewegung und bei Sportverletzungen lässt sich, für die Zeit der Heilung, ideal um die Blessur herum trainieren. Beachte immer das Trainingsvolumen, also die Anzahl der Trainingssätze pro Muskel in der Woche. Mit Isolationsübungen kannst du die Kräfteverhältnisse in deinem Körper gut steuern, agiere hier aber nicht allein nach optischen Vorlieben, sondern schau immer auch auf ein ausgeglichenes Verhältnis der Gegenspieler beziehungsweise auf eine gesunde Körperhaltung.

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Quellen:

Gentil, Paulo; Soares, Saulo; Rodrigo, Sampaio; Pereira, Maria Claúdia; Cunha, Rafael Rodrigues da, Martorelli; Saulo, Santos, Martorelli, André Santos; Bottaro, Martim (2013): Effect of adding single-joint exercises to a multi-joint exercise resistance-training program on strength and hypertrophy in untrained subjects. In: Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism. URL: https://doi.org/10.1139/apnm-2012-0176, zuletzt abgerufen am 26.03.2024.

Morton, Robert, W.; Colenso-Semple, Lauren; Philipps, Stuart M. (2019): Training for strength and hypertrophy: an evidence-based approach. In: Current Opinion in Physiology. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S2468867319300513, zuletzt abgerufen am 28.03.2024.

Schoenfeld, Brad; Vigotsky, Andrew; Contreras, Bret; Golden, Sheona; Alto, Andrew; Larson, Rachel; Winkelman, Nick; Paoli, Antonio (2018): Differential effects of attentional focus strategies during long-term resistance training. In: European Journal of Sport Science. URL: https://www.researchgate.net/publication/323740477_Differential_effects_of_attentional_focus_strategies_during_long-term_resistance_training/citation/download, zuletzt abgerufen am 26.03.2024

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