«JE äLTER MAN IST, DESTO MEHR KRAFTTRAINING BRAUCHT MAN»

Dass Ausdauertraining Herz und Kreislauf stärkt, hat sich herumgesprochen. Warum Muskeltraining auf keinen Fall vergessen werden sollte – vor allem im Alter.

Senioren in der Muckibude? Das waren früher ein paar klischeehaft bronzegegerbte Männer, die den Umfang ihrer bereits erstaunlich vorgewölbten Bizeps- und Latissimus-Muskeln noch weiter vergrösserten. Wer heute ein Fitnessstudio besucht, findet dort nicht nur 20-jährige Disco-Pumper in der Massephase, sondern auch etliche Grauhaarige jenseits der Lebensmitte. Nach Angaben der Betreiber sind etwa eine Million Menschen über 60 Jahre Mitglied in Fitnessstudios, das sind knapp 10 Prozent aller registrierten Nutzer.

Sinnvoll ist das. «Wer im Alter weiterhin mobil, fit und gesund bleiben will, tut gut daran, am besten heute mit Muskeltraining zu beginnen», sagt der Sportwissenschaftler Stephan Geisler aus Düsseldorf. «Dabei ist es wahrscheinlich egal, ob man zu Hause Kniebeugen und Co. macht oder im Fitnessstudio Geräte nutzt, Hauptsache, man bleibt in Bewegung.»

Muskeltraining reduziert Blutdruck

Dass Ausdauertraining Herz und Kreislauf stärkt, hat sich längst herumgesprochen. Schlaganfall, Infarkt und Herzschwäche wird damit vorgebeugt und die Lebenserwartung verlängert, wenn es regelmässig – am besten zwei- oder dreimal pro Woche – betrieben wird. Die Muskeln zu stärken, stand bisher aber eher nicht im Fokus.

Zwar werden seit jeher günstige Auswirkungen auf Koordination und Kraft betont, was gerade im Alter Stürze verhindern hilft. «Muskeltraining hat aber auch einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System», sagt Geisler und verweist auf Studien. «Wer regelmässig Krafttraining macht, reduziert den Blutdruck, verbessert die Durchblutung und steigert seine maximale Sauerstoffaufnahme.» Vereinfacht gesagt: «Man wird insgesamt fitter und verbessert seine Kondition.»

Mehr Muskulatur, weniger Diabetes

Auch Diabetes, besonders jener als «Altersdiabetes« bezeichnete Typ II, nimmt mit den Jahren zu. Hier lassen sich ebenfalls günstige Effekte nachweisen. «Die Rechnung ist ganz einfach – mehr Muskulatur führt zu einer besseren Verstoffwechselung von Zucker», sagt Geisler.

Dass sich Krafttraining so vielfältig und vorteilhaft auswirkt, liegt nicht nur daran, dass man bei manchen Übungen mächtig ausser Atem kommt. «Der Skelettmuskel ist ein sehr stoffwechselaktives Organ», sagt Karsten Köhler, der an der Technischen Universität (TU) München eine Professur für Bewegung und Ernährung innehat. «Ein Muskel, der gerade trainiert wurde, nimmt viel mehr Nährstoffe auf als ein untrainierter – das wirkt sich positiv auf Blutzuckerspiegel und Blutfette aus. Somit kann auch Krafttraining vor Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen schützen.»

Sogar der stärkende Einfluss von Krafttraining auf die Knochen geht nicht allein auf die mechanische Belastung zurück. «Hormone und Stoffwechselfaktoren, die das Muskelwachstum anregen, stimulieren auch die Knochen», sagt Köhler. «Somit kann Krafttraining das Osteoporose-Risiko reduzieren, indem es den Knochen stärkt.» Sein Fazit: Nahezu alles, was die Muskeln trainiert, trainiert auch die Knochen.

Seit etwa 15 Jahren rücken Stoffwechselfaktoren aus den Muskeln, die als Myokine bezeichnet werden, stärker in den Blickpunkt. Zumeist handelt es sich dabei um Interleukine, also jene Art von Molekülen, die im Immunsystem Informationen vermitteln. «Darunter sind Botenstoffe aus den Muskeln, die dem Leberstoffwechsel signalisieren, dass mehr Zucker aus den Speichern gelöst und zur Muskulatur transportiert werden soll», sagt der Sportmediziner Martin Halle von der TU München. «Andere Botenstoffe stimulieren den Zuwachs an Mitochondrien in den Muskelzellen.» Mitochondrien gelten als jene Zellorganellen, die für Energiebereitstellung und Atmung wichtig sind. Mit zunehmender Zahl und verbesserter Funktion steigt die körperliche Leistungsfähigkeit.

Bauen sich Muskeln ab, droht ein Teufelskreis

Im Alter lässt diese nach; ein schleichender Prozess, der lange nicht bemerkt wird. «Die Sarkopenie, also der Muskelverlust im Alter, ist ein grosses Problem und wird in Anbetracht der demografischen Entwicklung immer grösser», sagt Sportwissenschaftler Geisler. «Wenn sich die Muskeln im Alter immer weiter abbauen, fällt die Bewegung schwerer, das Sturzrisiko steigt, und die damit verbundenen Ängste hindern ältere Menschen meist an weiterer Bewegung.» Entfliehe man diesem Teufelskreis nicht, ende es oft in der Pflegebedürftigkeit, so Geisler. Wenn man nicht mal mehr die Kraft habe, aufzustehen, sei man auf die Hilfe anderer angewiesen. Muskeltraining beugt dem vor oder zögert die Hinfälligkeit hinaus.

Auf einen anderen günstigen Aspekt von Bewegung im Alter wird immer wieder hingewiesen, allerdings unabhängig davon, ob es sich um Ausdauer- oder Kraftsport handelt. Dem Abbau kognitiver Funktionen, wie er typisch für die Demenz ist, lässt sich durch regelmässiges Muskeltraining ebenfalls vorbeugen.

Zwei- bis dreimal pro Woche trainieren

Damit Krafttraining seinen vollen Nutzen entfaltet, sollte es zwei- bis dreimal pro Woche betrieben werden. «Nicht täglich, die Muskeln brauchen einen Tag dazwischen zur Erholung, aber auch um sich an die Belastung zu adaptieren», sagt Sportmediziner Halle. «Optimal wird das ergänzt durch zweimal pro Woche Ausdauertraining, und das alles in unterschiedlicher Intensität und Dauer.» Wenn möglich, sollte man nicht erst beim Eintritt ins Rentenalter anfangen, die Muskeln zu stärken. «Krafttraining wird schon ab 45 Jahren wichtig, dann nimmt die Muskelmasse ab und auch die Funktionalität der Muskulatur», sagt Halle. «Je älter man ist, desto mehr Krafttraining braucht man.»

Im höheren Alter sind kleinere Übungen wie Sitz an der Wand, Liegestütz oder Kniebeugen durchaus täglich zu empfehlen. Martin Halle und sein Team haben dazu eine Studie in Altersheimen begonnen. «Dort sollten nicht nur Basteln und Kaffeekränzchen auf dem Programm stehen, sondern auch körperliches Training», so der Sportmediziner. «Der Bereich sollte natürlich mit dem Rollator erreichbar sein und der Boden dafür geeignet – aber dann zeigen unsere Erfahrungen, dass es den Senioren wahnsinnig viel Spass bringt und das Miteinander ausgebaut wird.»

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