NEUE BEHANDLUNG FüR PATIENTEN MIT LEBENSBEDROHLICHER HERZRHYTHMUSSTöRUNG

Bestrahlung gegen Herzrhythmusstörungen: Am Uniklinikum Graz gibt es eine neue Behandlungsoption für Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen.

Mittlerweile sind es drei Patienten – die ersten drei in ganz Österreich – die an der Univ.-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie aufgrund massiver Herzrhythmusstörungen mit einer Bestrahlung behandelt wurden. Die Behandlung erfolgt in engster Kooperation mit der Klinischen Abteilung für Kardiologie. Ähnlich wie bei der Krebstherapie, aber mit wesentlich höherer Dosis, wird dabei exakt jene Stelle im Herzmuskel bestrahlt, die für die Rhythmusstörung verantwortlich ist.

Eingriff weltweit erst 500 Mal durchgeführt

Weltweit wurde dieser Eingriff – die sogenannte stereotaktische Strahlentherapie, eine punktgenaue, höchst präzise Form der Bestrahlung – bei Patientinnen mit Herzrhythmusstörungen erst rund 500 Mal durchgeführt. Sie kommt in Fällen zum Einsatz, wenn Patientinnen auf herkömmliche Methoden nicht ansprechen. „Es gibt Herzrhythmusstörungen, die weder durch maximale Medikation noch durch lokal-ablative Eingriffe in den Griff zu bekommen sind“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Brunner, Vorstand der Univ.-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie. Bei diesen Patienten kommt es weiterhin zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen.

Gefahr des plötzlichen Herztods

Die Patientinnen, die in Graz behandelt wurden, hatten zu dem Zeitpunkt ihrer Bestrahlung bereits eine lange Krankengeschichte hinter sich. Sie leiden an ventrikulärer Tachykardie, ihre Herzen geraten immer wieder in den „elektrischen Sturm“. Als „elektrischer Sturm“ wird eine kontinuierliche, nicht zu unterbrechende Kammer-Tachykardie bezeichnet. Diese ist immer unmittelbar lebensbedrohlich. Verursacht werden die Herzrhythmusstörungen von Narbenarealen im Herzmuskel. Herkömmlicherweise wird mit Medikamenten, durch die Implantation eines Defibrillators oder durch Katheter-Ablationen behandelt, doch nicht bei allen Patientinnen ist damit eine Besserung zu erzielen. Mit Katheter-Ablation etwa können nicht alle Bereiche des Herzmuskels erreicht werden. „Genau da kommt die Hochpräzisionsbestrahlung ins Spiel“, erklärt Assoz.-Professorin Dr. Tanja Langsenlehner. Sie gehört wie Univ.-Prof. Thomas Brunner, Dr. Lukas Seiß und Dr. Peter Winkler dem neu gegründeten STAR- Team an der Univ.-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie an, dem auch die Kooperationspartner der Klinischen Abteilung für Kardiologie, Univ.-Prof. Dr. Daniel Scherr, PD Dr. Martin Manninger-Wünscher und Ass. Dr. Ursula Rohrer angehören. Gemeinsam sind sie österreichweit das erste Expertenteam rund um diese neuartige Behandlung.

STAR-Expertise für rasende Herzen

„Von einer ventrikulären Tachykardie spricht man, wenn Herzen rasen. Das ist sozusagen ein elektrischer Sturm im Herzen“, erklärt Univ.-Prof. Daniel Scherr von der Klinischen Abteilung für Kardiologie. Auch er freut sich über die neue Therapieoption für die gemeinsamen Patientinnen. Denn die ventrikuläre Tachykardie ist immer ein medizinischer Notfall. Sie kann zu Kammerflattern oder Kammerflimmern führen und das ist oftmals die Ursache für plötzlichen Herztod. „Die stereotaktische antiarrhythmische Strahlentherapie, abgekürzt STAR, ist eine neue Behandlungsoption für einige jener Patientinnen, bei denen die herkömmlichen Methoden nicht greifen“, präzisiert Brunner. „Nicht alle Patientinnen kommen für die stereotaktische Strahlentherapie in Frage“. Ausschlusskriterien sind etwa eine zu große Nähe der zu bestrahlenden Stelle zur Speiseröhre, deren Gewebe durch die hohe Dosis geschädigt werden könnte. Laut Prognose werden in Österreich pro Jahr fünf bis zehn Patientinnen von der neuen Therapie profitieren. Für sie ist sie jedoch entscheidend: Wenn der Eingriff funktioniert, sind die Herzrhythmusstörungen behoben und die Patientinnen beschwerdefrei. Laut Studien liegt diese Quote bei rund 80 Prozent. Dr. Lukas Seiß, Assistenzarzt an der Univ.-Klinik für Strahlentherapie-Onkologie, begleitet die Therapien der Grazer Patienten gemeinsam mit den Kolleginnen der Kardiologie auch wissenschaftlich.

Was genau bewirkt die Bestrahlung?

„Die punktgenaue Bestrahlung führt zu einem Umprogrammieren des elektrischen Reizleitungssystems im Herzen“, erklärt Brunner. Dafür wird eine genau definierte Stelle des Herzens im Linearbeschleuniger einmalig mit einer hohen Dosis bestrahlt. Dass Bestrahlung die elektrische Erregung im Herzen kontrollieren kann, wurde erstmals vor rund zehn Jahren entdeckt. Am Uniklinikum Graz soll sich die Expertise dazu nun weiter bündeln – Expertinnen der Strahlentherapie- Radioonkologie und der Kardiologie betreuen die Patientinnen gemeinsam. Derzeit ist Graz österreichweit die einzige Klinik, die diese Behandlung durchführt. Der bildgeführte Eingriff selbst dauert zwar nur wenige Minuten, aber er verlangt penibelste Planung und extreme Präzision in einem multidisziplinären Team. Die Strahlung muss exakt auf jenes Herzmuskelareal treffen, das für den „Sturm im Herzen“ verantwortlich ist.

Mitglied im europäischen STOPSTORM-Konsortium

„Seit diesem Jahr sind wir auch Mitglied des von der EU mit zwei Millionen Euro geförderten STOPSTORM-Projekts“, freut sich Thomas Brunner. „Graz wird als Brückenkopf für einen engen Austausch des Wissens und der Erfahrung sorgen. Wir lernen permanent dazu, nicht zuletzt durch die Mitgliedschaft in diesem Konsortium.“

STOPSTORM erklärt

STOPSTORM steht für „Standardized Treatment and Outcome Platform for Stereotactic Therapy Of Reentrant tachycardia by a Multidisciplinary“-Konsortium. Im Rahmen dieses internationalen Großprojekts werden Patient*innen, die an einem gefährlich schnellen Herzrhythmus leiden, mit einem Bestrahlungsverfahren behandelt, das bisher hauptsächlich bei Lungenkrebs eingesetzt wurde.

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