„OZEMPIC-BABYS“: EINE SCHWANGERSCHAFT ALS NEBENWIRKUNG?

Ja, auch unter ihren Patientinnen sei es schon zu der einen oder anderen ungeplanten Schwangerschaft während der Therapie mit Ozempic oder ähnlichen Arzneimitteln gekommen, bestätigt Bianca Itariu, Internistin und Adipositas-Spezialistin mit eigener Praxis in Wien. Die gemeinhin als „Abnehmspritzen“ bezeichneten Präparate standen während der letzten Monate immer wieder im Mittelpunkt - vor allem, weil diese aus der Diabetes-Therapie kommenden Wirkstoffe helfen, Gewicht zu verlieren. Und das in einem Ausmaß, das bislang nicht dagewesen ist, wie wir hier berichtet haben. Und seit einigen Wochen machen vermehrt Berichte über „Ozempic-Babys“ die Runde.

Semaglutid und Liraglutid sind die Wirkstoffe, die in unterschiedlichen Präparaten verwendet werden. Der Handelsname des Präparats mit Liraglutid ist Saxenda, dieses Präparat ist in der EU zur Behandlung von Adipositas zugelassen. Ozempic wiederum ist der Handelsname jenes Medikamentes, das zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird und den Wirkstoff Semaglutid enthält. Es unterscheidet sich lediglich in der Dosierung zu Wegovy, das zur Behandlung von Adipositas eingesetzt wird.

Aussagekräftige Daten fehlen

Itariu meldet ungeplante Schwangerschaften während der Einnahme von Ozempic und Co. als Nebenwirkung. „Das ist wichtig, damit wir Daten sammeln können“, sagt die Spezialistin. Denn es sind gerade Daten, die in Bezug auf „Ozempic-Babys“ fehlen. „Bislang sind Einzelfälle bekannt, all diese sind anekdotische Erzählungen.“

Es sei wichtig, die Patientinnen aufzuklären. Laut Beipackzettel sollten Personen, die Liraglutid bzw. Semaglutid verabreicht bekommen, verhüten und die Spritzen zumindest zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft absetzen. Auch in der Stillzeit soll nicht auf diese Präparate zurückgegriffen werden. Denn die Wirkung auf das ungeborene Kind ist bei den meisten Präparaten bislang nicht erforscht.

Übergewicht beeinflusst Empfängnis

Grundsätzlich findet es Itariu nicht überraschend, dass es unter einer Adipositas-Therapie mit Liraglutid oder Semaglutid zu ungeplanten Schwangerschaften kommen kann. Auch bei anderen Erkrankungen, etwa Durchfall und Erbrechen, und unter der Behandlung mit anderen Wirkstoffen können die Wirksamkeit von Verhütungsmitteln herabgesetzt sein. Hinzukommt, dass Erbrechen und Durchfall zu den häufigen Nebenwirkungen der Abnehmspritzen zählen. „Ich sehe den nicht ausreichend oder fehlenden Wirkschutz der Antibabypille eher durch diese Nebenwirkungen gegeben“, erklärt Julian Marschalek, Gynäkologe mit eigener Ordination in Wien.

Zudem ist Übergewicht ein Faktor, der die Empfängnisbereitschaft beeinflusst. „Die Adipositas, vor allem die schwere Adipositas, ist häufig mitschuld daran, dass es zu einem unerfüllten Kinderwunsch kommt“, erklärt der Gynäkologe. Übergewicht kann etwa den Hormonhaushalt beeinflussen, denn „dieses Gewebe ist hormonell äußerst aktiv.“ Dies hat zur Folge, dass das Zusammenspiel zwischen Gehirn und den reproduktiven Organen wie Eierstöcken oder Gebärmutter gestört wird. „Sehr viele übergewichtige Patientinnen haben keinen oder einen sehr unregelmäßigen Zyklus“, erzählt Marschalek aus der Praxis.

Auf den Wirkstoff Liraglutid greift Marschalek zurück, wenn es darum geht, die Empfängnisbereitschaft bei übergewichtigen Betroffenen zu erhöhen. Eine Studie mit 2000 Frauen zeigte etwa, dass mit jedem abgenommenen Kilo Körpergewicht die Zeit bis zum Eintreten einer Schwangerschaft um fünf bis sechs Tage verkürzt wurde. Aber: „Wir können nicht den einen oder die zwei Gründe nennen, wieso Übergewicht mit Unfruchtbarkeit in Zusammenhang steht. Das ist ein hochkomplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren, von denen wir noch nicht alle kennen.“

2024-04-27T04:16:44Z dg43tfdfdgfd