Es gibt für Blanka Rádóczy ein Davor und ein Danach. 2018 bekam sie die Diagnose Hirntumor. Seitdem ist im Leben der Regisseurin nichts mehr, wie es war. Im Stück „Absence“ am Wiener Kosmos-Theater verarbeitet sie diese Erfahrung. Am 28. März feiert es Premiere.
Die Diagnose kam zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Rádóczy war gerade mit ihrem Regiestudium fertig und erhielt zahlreiche Jobangebote. „Es lief richtig gut“, erzählt sie der „Presse“. Immer wieder hatte sie jedoch kleine epileptische Anfälle, sogenannte Absencen. Dann kam ein schlimmerer Krampfanfall. Im Krankenhaus wurde deshalb ein CT gemacht, und es kam die Diagnose: Hirntumor. „Das kann nicht sein. Das stimmt nicht“, so ihr erster Gedanke. Sie musste die Nacht im Spital verbringen, und obwohl ihre Erinnerungen an den Vorfall getrübt sind, weiß sie noch genau, was sie sich vor dem Einschlafen dachte: „Bitte, bitte, wenn ich morgens aufwache, dann ist es weg.“
Am nächsten Tag war der Tumor natürlich noch da. Da er gutartig war, musste er allerdings nicht sofort operiert werden. Sie durfte wieder nach Hause. Es vergingen sechs Wochen bis zum Eingriff. „Diese Zeit war schlimm“, erzählt die gebürtige Ungarin. „Da ich freiberuflich bin, hatte ich keine Arbeit, der ich nachgehen konnte. Meine ganzen Gedanken drehten sich um die Operation.“ Nach dem Eingriff musste sie noch zwei Wochen im Spital verbringen, danach war sie auf Reha. Der ganze Prozess dauerte einige Monate. „Es war trotzdem nicht so, dass ich mich danach normal gefühlt hätte“, sagt Rádóczy.
Auch eine Chemotherapie blieb ihr nicht erspart. Allerdings unterbrach sie diese, um ein Theaterstück zu inszenieren. „Das war aber viel zu früh. Ich hatte noch nicht die Kräfte dafür und war extrem vergesslich“, erinnert sich die Regisseurin. „Es war eigentlich eine unmögliche Situation, Regie zu führen. Aber ich wollte das unbedingt versuchen, weil ich einen Druck verspürte, endlich meiner Arbeit nachzugehen“, erzählt sie. Denn wegen des Tumors konnte sie das direkt nach ihrem Studium nicht tun. „Diese Krankheit hat mir in der Hinsicht so viel genommen.“
Rádóczy fand schließlich den Weg zum Theater zurück. Mittlerweile geht sie mit ihrer Arbeit auch entspannter um. Sie macht Pausen und wägt immer wieder ab, wo ihre Grenzen sind. In ihrem aktuellen Stück setzt sie sich mit ihrer Erkrankung auseinander. „Es war Zeit“, sagt sie, „denn das, was mich am meisten beschäftigt, ist dieser Tumor.“ Zunächst wollte sie allgemein ihre Krankheitsgeschichte beschreiben. Mittlerweile liegt der Fokus der Performance jedoch auf der Zeit zwischen ihren Anfällen und den Wochen nach der Operation. „Ich habe gemerkt, dass hier das Trauma liegt.“
„Absence“ beschäftigt sich auch mit dem Thema Erinnerung. Rádóczy interessiert sich schon länger dafür, mit ihrer Erkrankung bekam es noch eine zusätzliche Relevanz. Spannend findet sie den Zusammenhang mit der Identität: Wer ist man, wenn man alles vergisst? „Das ist meine größte Angst, mich selbst durch die Krankheit zu verlieren.“
Blanka Rádóczy ist es wichtig, über ihre Erkrankung zu sprechen, sie öffentlich und sichtbar zu machen. Die Inszenierung verlangt ihr aber einiges ab. Ihre Krankheit ist dadurch wieder viel präsenter in ihrem Leben, erzählt sie, weshalb sie auch sehr viel emotionaler wird, wenn es darum geht. Auch im Gespräch mit der „Presse“ bleibt die eine oder andere Träne nicht aus. Und trotzdem: „Ich finde es wichtig, über Schwächen zu reden. Das ist eine Stärke.“
2023-03-24T11:20:07Z dg43tfdfdgfd