Lange Zeit glaubte man – und hörte auch –, dass acht Stunden Schlaf pro Nacht der absolute Standard für eine gute Erholung seien. Doch diese weit verbreitete Vorstellung wird nun in Frage gestellt, insbesondere für Menschen über 65. Und diesmal handelt es sich weder um einen TikTok-Trend noch um einen weiteren Wellness-Mythos: Es ist die Meinung eines renommierten Experten für Schlafmedizin. Dr. Eduard Estivill, ein spanischer Schlafspezialist, bietet eine völlig andere Vorstellung davon, wie eine erholsame Nachtruhe für Senioren aussehen sollte. Ihm zufolge ist das Streben nach den berühmten 8 Stunden Schlaf in diesem Alter nicht nur nutzlos, sondern kann sogar die Schlafqualität beeinträchtigen.
Warum dieser Perspektivwechsel? Ganz einfach, weil sich die Bedürfnisse des Körpers mit zunehmendem Alter ändern. Ab dem 65. Lebensjahr verlangsamt sich die Leistung des Körpers, die kognitiven Anforderungen sind oft geringer, die körperliche Aktivität nimmt ab: alles Faktoren, die unseren biologischen Rhythmus beeinflussen.
„Ab 65 Jahren brauchen wir weniger Schlaf, weil wir uns weniger bewegen und weniger lernen“, erklärt Dr. Estivill in einem Interview mit dem Medium La Vanguardia.
Seine Empfehlung: Streben Sie sechs Stunden Schlaf pro Nacht an, nicht mehr. Entscheidend ist nicht die Dauer, sondern die Qualität. Und als Ergänzung zu dieser kürzeren Nachtruhe können ein oder zwei kurze Nickerchen am Tag ausreichen, um die Batterien effektiv wieder aufzuladen.
Viele Senioren machen sich Sorgen um ihren Schlaf: Häufiges nächtliches Aufwachen, kürzere Nächte, Einschlafen vor dem Fernseher... Diese Veränderungen werden oft als Störungen interpretiert, obwohl sie völlig natürlich sind.
„Ältere Menschen denken oft, dass sie schlecht schlafen, aber tatsächlich schlafen sie genau so, wie ihr Körper es braucht“, sagt Dr. Estivill. Die Folge: Sie lassen sich falsch beraten und bekommen Schlafmittel verschrieben, die den Schlaf auf Dauer zusätzlich stören können.
Der Arzt warnt deshalb vor dem Medikamentenreflex: „Viele Menschen nehmen Schlaftabletten, weil sie denken, 8 oder 9 Stunden Schlaf seien dafür unerlässlich. Das ist aber nicht der Fall.“
Anstatt an Standards festzuhalten, die für diese Altersgruppe nicht mehr geeignet sind, schlägt Dr. Estivill eine maßgeschneiderte Schlafhygiene vor. Hier sind die wichtigsten Empfehlungen:
Und vor allem: Wecken Sie niemals einen Senior auf, der vor dem Fernseher einnickt! Diese leichte Schläfrigkeit ist keineswegs ein Zeichen übermäßiger Müdigkeit, sondern ein wesentlicher Bestandteil des neuen natürlichen Schlafzyklus nach dem 65. Lebensjahr.
Diese neue Herangehensweise an den Schlaf dürfte viele ältere Menschen beruhigen, die oft Angst haben, nicht mehr „wie früher“ zu schlafen. Dr. Estivill fasst diese Realität in einem sinnvollen Satz zusammen:
„Wenn man jung ist, braucht man viel Schlaf und wenig Zeit zum Schlafen. Wenn man alt ist, hat man zwar viel Zeit, aber weniger Schlafbedürfnis.“
Wenn Sie Ihre Sichtweise auf den Schlaf ändern, bedeutet das auch, dass Sie akzeptieren müssen, dass sich unsere Bedürfnisse im Laufe der Zeit verändern. Sie besser zu verstehen bedeutet, sie besser zu respektieren. Und letztendlich geht es darum, zu mehr Ruhe zu finden, ohne Druck und Medikamente.
2025-04-25T04:39:40Z